Biografie

Anfang der 1970er Jahre photographierte Alice Springs mehrere Kampagnen für den französischen Haarstylisten Jean Louis David; die Werbebilder erschienen – unter Nennung ihres Namens – als ganzseitige Anzeigen in renommierten Modezeitschriften. Und 1974 war das erste Alice-Springs-Motiv auf dem Cover der französischen Elle zu sehen.

Ab Mitte der siebziger Jahre kamen zahlreiche Porträtaufträge hinzu, und so entstanden teilweise ikonische Aufnahmen. Die Liste der von Alice Springs porträtierten Künstler, Schauspieler und Musiker liest sich wie ein who’s who der internationalen Kulturszene aus den vergangenen vierzig Jahren diesseits und jenseits des Atlantik. Manche Aufnahmen sind im Auftrag für Zeitschriften zwischen Paris und Los Angeles entstanden, andere aus freiem Antrieb.

Alice Springs dokumentiert nicht allein das Aussehen der Prominenten oder der namenlosen Zeitgenossen, sondern fängt deren Ausstrahlung, mitunter deren Aura ein. Ihren Blick für und auf die Menschen konzentriert sie meist auf deren Gesichter; zuweilen fasst sie sie im engen Bildausschnitt als Brust- oder Dreiviertelporträt, dann bekommen auch die Hände eine besondere Bedeutung. Möglicherweise hilft ihr die tiefe Kenntnis des Schauspiels, gleichzeitig auf und hinter die Fassade des Menschlichen zu schauen. Das gilt insbesondere für ihre Doppelporträts, in denen die Interaktion der Protagonisten – wie auf einer Bühne – geradezu inszeniert ist.

Wir entdecken in den Bildern eine gewisse Vertrautheit, vermeintlich zumindest; tatsächlich schwanken sie zwischen Distanz und Nähe. Es begegnet uns in ihren subtilen Porträts ebenso die eitle Pose oder ein natürliches Selbstbewusstsein wie der schüchterne Blick. Dramatische Posen sind selten, und der Arbeitsprozess wird auch nicht von großen Gesten der Photographin begleitet. Ihre Bildnisse werden zu visuellen Kommentaren, zu Interpretationen der Dargestellten.

Helmut Newton, Self Portrait with wife and models, Paris, 1981

1923: als June Browne in Melbourne geboren; Ausbildung zur Schauspielerin, zahlreiche Engagements unter dem Künstlernamen June Brunell.

1947: lernt sie Helmut Newton kennen, der in Melbourne kurz zuvor ein Fotostudio eingerichtet hat, und heiratet ihn ein Jahr später.

1956: reisen sie durch Europa und leben in London und Paris, später wieder in Melbourne; Engagements für die BBC und Verleihung des Erik Kuttner Award als beste Theaterschauspielerin.

1961: ziehen sie von Melbourne endgültig nach Paris, zunächst leben sie in der Rue Aubriot, später in der Rue de l’Abbé de l’Epée; ihre Schauspielkarriere endet wegen der Sprachbarriere. Sie beginnt autodidaktisch zu malen.

1964: kaufen die Newtons ein Haus in Ramatuelle an der Cote d’Azur, wo sie seitdem stets mehrere Monate im Jahr verbringen.

1970: vertritt sie den kurzzeitig erkrankten Helmut Newton für einen Werbefoto-Auftrag in Paris, so beginnt ihre eigene Karriere als Fotografin, diesmal unter dem Pseudonym Alice Springs; sie arbeitet für Anzeigenkampagnen (beispielsweise für Jean-Louis David) und für Magazine wie Dépêche Mode, Elle, Marie-Claire, Vogue, Nova und Mode Internationale.

1976: beginnt sie sich ausschließlich der Portrait-Fotografie zu widmen und veröffentlicht ihre Aufnahmen in renommierten Zeitschriften wie Egoïste, Vanity Fair, Interview, Stern, Photo oder Passion; überdies betreut sie seitdem alle Bücher und Ausstellungskataloge von Helmut Newton als Art Director von Beginn an über fast drei Jahrzehnte.

1978: werden ihre Portraits erstmals in einer Einzelausstellung in Amsterdam präsentiert, der bis heute zahlreiche Präsentationen weltweit folgen.

1981: verlassen Helmut und June Newton Frankreich und siedeln nach Monaco über, die Wintermonate verbringen sie regelmäßig in Kalifornien, wo June (alias Alice Springs) seitdem zahlreiche Hollywood-Schauspieler, Regisseure oder auch die Hells Angels porträtiert.

1983: erscheint ihr Porträt-Bildband in einem französischen Verlag, drei Jahre später in den USA und weitere fünf Jahre später in Deutschland.

1995: entsteht der Dokumentarvideofilm Helmut by June für den französischen Fernsehsender Canal Plus.

1998: entsteht der gemeinsame Bildband Us and Them von Helmut und June Newton in einem Schweizer Verlag, begleitet von einer Ausstellungstournee durch mehrere Länder.

2004: erscheint ihre Autobiographie Mrs. Newton bei einem deutschen Verlag.

2004: eröffnet sie die Helmut Newton Stiftung in Berlin, u.a. mit der gemeinsamen Ausstellung Us and Them, ergänzt durch die letzten Porträts von Helmut Newton auf dem Sterbebett in Los Angeles. Das neue Fotomuseum wird zukünftig auch für ihr Werk zu einem wichtigen Forum.

2021: stirbt June Newton in Monaco und wird neben ihrem Mann in Berlin beigesetzt. Das Condolence Book einsehen.

Publikationen

Seit 1976 begleitet sie als Art-Direktorin alle Publikationen von Helmut Newton.

Alice Springs. Portraits
Editions du Regard, Paris 1983
Twelvetrees Press, Pasadena 1986
Schirmer/Mosel, München 1991

Alice Springs. Portraits
Ausstellungskatalog, Musée Sainte-Croix, Poitiers 1985

Alice Springs
Ausstellungskatalog, Espace Photo Paris, Paris Audiovisuell 1986

Alice Springs. Portraits récents
Ausstellungskatalog, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Paris 1988

Alice Springs. Retratos
Ausstellungskatalog, Centro Cultural Arte Contemporaneo, Mexico City, 1990

Helmut Newton / Alice Springs. Us and Them
Scalo, Zürich 1998
Taschen, Köln 2016

Mrs. Newton
Taschen, Köln 2004

Alice Springs. Photographs
Taschen, Köln 2010

Alice Springs, The Paris Mep Show
Taschen, Köln 2016

Ausstellungen

1978
Canon Gallery, Amsterdam

1980
Canon Gallery, Genf
Duc et Camroux, Paris

1982
David Heath Gallery, Atlanta, Georgia
The Yuen Lui Gallery, Seattle, Washington

1983
Olympus Gallery, London
Galerie de France, Paris

1984
Musée Cheret, Nizza

1985
Musée Sainte-Croix, Poitiers
Documenta Gallery, Turin

1985
Centre Cultural, Orléans

1986
Centre Culturel et Artistique, Aubusson
Espace Photographique de la Ville de Paris, Paris

1987
Fotoforum, Frankfurt

1988
Galerie Fiolet, Amsterdam
Olympus Galerie, Hamburg
National Portrait Gallery, London
Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris

1990
Museo Contemporáneo, Mexico City

1991
Rheinisches Landesmuseum, Bonn

1992
Shoshana Wayne Gallery, Los Angeles
Gaby Fenne Galerie, Bonn

1993
Arrêt sur l’image Galerie, Bordeaux
Galerie am Alten Rathaus am Markt, Wittlich
Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig
Foto Forum, Bremen

1997
Victorian Arts Centre, Melbourne

2005
June’s Dark Room, Helmut Newton Foundation, Berlin

2007
Snapshots Ramatuelle, Helmut Newton Foundation, Berlin

2010
Retrospective, Helmut Newton Foundation, Berlin

2011
Retrospektive, Kestnergesellschaft, Hannover

2012
Retrospektive, Carla Sozzani Galleria, Mailand und Maison Européene de la Photographie, Paris

2015
Alice Springs, Maison Europeéne de la Photographie, Paris

2016
Alice Springs, The Mep Show / Helmut Newton, Yellow Press / Mart Engelen, Portraits, Helmut Newton Foundation, Berlin

2018
Alice Springs, Portraits, Helmut Newton Foundation, Berlin

2023
Alice Springs. Retrospektive, Helmut Newton Foundation, Berlin

2024
Alice Springs. Retrospektive, Opelvillen, Rüsselsheim


Us And Them, Alice Springs and Helmut Newton

1998
Nikolaj Contemporary Art Center, Kopenhagen

1999
Museet for Fotokunst, Brandts Klaedefabrik, Odense, Dänemark
Kunsthalle, Rotterdam
Maison Européene de la Photographie, Paris
Galleria Carla Sozzani, Mailand

2000
Museum of Modern Art, São Paulo
Joseph-Haubrich-Kunsthalle, Köln

2004, 2014
Helmut Newton Foundation, Berlin