Das Polaroid-Verfahren hat die Fotografie revolutioniert. Wer diese Kamera jemals benutzt hat, wird den Geruch der Entwicklungsemulsion und die Faszination für das Sofortbild nicht vergessen. Beim Polaroid handelt es sich stets um ein Unikat, auch bei den späteren großformatigen Polacolor prints mit den so charakteristischen Entwicklungsrändern ist das der Fall.

Polaroids sind von zahlreichen Fotografen häufig als vorbereitende Studien und als eigenständiges Medium verwendet worden. Das begann bereits kurze Zeit nach der Präsentation der Sofortbildfotografie vor der „Optical Society of America“ 1947 durch ihren Erfinder Edwin Land – und vor allem, nachdem dieser 1972 das legendäre SX-70-System, eine zusammenklappbare, simple und preiswerte Kamera, vorstellte. In nahezu allen fotografischen Bereichen – Landschaft, Porträt, Mode und Akt – und überall auf der Welt fand die ungewöhnliche Bildtechnik begeisterte Anwender.

Helmut Newton hat die Technik seit den 1970er Jahren ebenfalls intensiv genutzt, insbesondere während der Shootings für seine Modeaufträge. Dahinter stand, wie er es selbst einmal in einem Interview nannte, das ungeduldige Verlangen, sofort wissen zu wollen, wie die inszenierte Situation als Bild aussieht. Ein Polaroid entspricht in diesem Zusammenhang einer Ideenskizze und dient zugleich der Überprüfung der konkreten Lichtsituation und Bildkomposition. 1992 veröffentlichte Helmut Newton Pola Woman, ein ungewöhnliches Buch, das ausschließlich seine Polaroids vorstellte. Die Publikation lag ihm, wie er sagte, „besonders am Herzen“, gleichzeitig wurde sie kontrovers diskutiert. Den Vorwurf, dass die Bilder darin nicht perfekt genug seien, konterte er mit dem Argument: „Doch das war ja gerade das Spannende – die Spontanität, das Schnelle.“

Interessant und aufschlussreich sind Newtons handschriftliche Ergänzungen an den Bildrändern seiner Polaroids, wir finden dort gelegentlich Kommentare zum jeweiligen Modell, Auftraggeber oder Aufnahmeort. Diese Anmerkungen, die Unschärfen und Gebrauchsspuren finden sich selbstverständlich auch auf den Vergrößerungen der Polaroids innerhalb der Ausstellung; sie zeugen von einem pragmatischen und authentischen Umgang mit den ursprünglichen Arbeitsmaterialien, die inzwischen jedoch einen autonomen Wert besitzen. Insbesondere die eigene, unvergleichliche Ästhetik der Polaroids, die die Farbigkeit und die Kontraste des fotografierten Gegenstandes unvorhersehbar verändert, macht die experimentelle Technik auch für den heutigen Betrachterblick interessant.

Gezeigt wird erstmals ein repräsentativer Überblick dieses Werkaspektes anhand von über 300 Fotografien. Insofern kommt die Ausstellung einem Blick ins Skizzenbuch eines der einflussreichsten Fotografen des 20. Jahrhunderts gleich. Viele der ikonischen Aufnahmen, die bereits zuvor in den Ausstellungsräumen der Helmut Newton Stiftung gezeigt wurden, werden durch die Ausstellung Helmut Newton: Polaroids in ihrer Entstehung präsent.

Werkauswahl

Ein Blick ins Skizzenbuch

Matthias Harder

Mit Helmut Newton: Polaroids präsentiert die Helmut Newton Stiftung erstmalig den Werkaspekt der Sofortbild-Fotografie im Schaffen des Fotografen und widmet ihm anhand von über 300 Fotografien – Vergrößerungen der Original-Polaroids, ergänzt durch Vitrinen mit den Kleinformaten – eine eigene Ausstellung.

Das Polaroid-Verfahren, im Februar 1947 von seinem Erfinder Edwin Land vor der Optical Society of America vorgestellt, hat die Fotografie revolutioniert. Wer diese Kamera jemals benutzt hat, wird den Geruch der Entwickleremulsion und die Faszination für das Sofortbild nicht vergessen. Ob Profi oder Amateur, man hielt das fertige Bild unmittelbar nach der Aufnahme in den Händen. Musste man bei den frühen Verfahren die Bildoberflächen noch eigenhändig mit einer Flüssigkeit fixieren, entwickelten sich später die Bilder ganz von selbst. Insofern ist es – zwar nicht in fototechnischer Hinsicht, wohl aber seiner schnellen Verfügbarkeit wegen – ein Vorläufer der digitalen Fotografie von heute, die unter anderem deshalb so geschätzt wird, weil die Bildkomposition direkt auf dem Kameradisplay überprüft werden kann.

Polaroids wurden als bildvorbereitende Studien und als eigenständiges Medium verwendet. Aufgrund seiner Objekthaftigkeit und der Möglichkeit, das Bild sofort und experimentell weiterzuverwenden, hatte die neue Technik einen großen Reiz für viele künstlerisch arbeitende Fotografen. In nahezu allen fotografischen Bereichen – Landschaft und Genre, Porträt, Selbstporträt, Mode und Akt – und überall auf der Welt fand die ungewöhnliche Bildtechnik begeisterte Anwender. Die zweitausend Namen umfassende Liste der Fotografen, deren Werke allein in der Polaroid Photo Collection vertreten sind, liest sich wie ein Who’s Who der modernen Fotogeschichte: etwa Ansel Adams, David Hockney, Philippe Halsman, Robert Mapplethorpe, Peter Beard, Harry Callahan oder Andy Warhol, der Polaroids bekanntlich auch als Vorlagen für seine Siebdruck-Porträts nutzte.

Helmut Newton ist in dieser Sammlung, die inzwischen größtenteils bei Westlicht in Wien beheimatet ist, selbstverständlich ebenfalls vertreten. Er hat die Technik seit den 1970er Jahren intensiv genutzt, insbesondere während der Shootings für seine Modeaufträge. Dahinter stand, wie er es selbst einmal in einem Interview formulierte, das ungeduldige Verlangen, sofort wissen zu wollen, wie die Situation als Bild aussieht.

Ein Polaroid entspricht in diesem Zusammenhang einer Ideenskizze und dient zugleich der Überprüfung der konkreten Lichtsituation und Bildkomposition. Häufig reichten Newton für den ersten Kontrollblick wenige Polaroid-Aufnahmen, nur bei seiner Naked and Dressed-Serie, die ab 1981 für die italienische und französische Vogue entstand, verbrauchte er das Filmmaterial „gleich kistenweise“, so der Fotograf.

1992 veröffentlichte Helmut Newton Pola Woman, ein ungewöhnliches Buch, das ausschließlich seine Polaroids beinhaltete. Die Publikation lag ihm, wie er sagte, „besonders am Herzen“, gleichzeitig wurde sie kontrovers diskutiert. Den Vorwurf, dass die Bilder darin nicht perfekt genug seien, konterte er mit dem Argument: „Doch das war ja gerade das Spannende – die Spontanität, das Schnelle.“ Eigentlich waren die visuellen Vorstudien zunächst nicht zur Veröffentlichung gedacht, da Newton erst die Bilder auf „richtigem“ Film als endgültig angesehen hat. Doch auch seine Polaroids wurden immer wieder in Magazinen veröffentlicht, und manche der signierten Exemplare tauchen inzwischen hochpreisig auf dem Kunstmarkt auf.

Interessant und aufschlussreich sind auch seine handschriftlichen Ergänzungen an den Bildrändern vieler Polaroids: Kommentare zu den jeweiligen Modellen, Auftraggebern oder Aufnahmeorte und Datum. Diese schriftlichen Bemerkungen, die Unschärfe und Gebrauchsspuren zeugen von seinem pragmatischen Umgang mit dem „Arbeitsmaterial“, das inzwischen einen eigenen, geradezu autonomen Wert besitzt. Zwar musste die Firma Polaroid im Jahre 2008 Konkurs anmelden, doch die autonome Ästhetik der Polaroids, die die Farbigkeit und die Kontraste des fotografierten Subjekts unvorhersehbar verändert, macht die Technik auch für den heutigen Betrachter interessant. Und so überrascht es nicht, dass einige Smartphone-Apps diese Ästhetik digital simulieren und auch die Sofortbildfotografie selbst, mit neuen Kameras von Fuji und Leica ein Revival erlebt.

Newtons Polaroid-Kameras werden in der Dauerausstellung Helmut Newton’s Private Property, im Erdgeschoss der Stiftung in einer Vitrine präsentiert, ebenso seine Notizbücher, in die er manche seiner Bildideen notierte. Mit Blick auf Newtons Polaroids, die am Beginn einer jeden Modebildfindung standen und seine unvergleichliche visuelle Fantasie manifestieren, können wir in der aktuellen Ausstellung Helmut Newton: Polaroids dessen visuelle Ausgangsideen studieren, die später, im endgültigen und vom Fotografen akzeptierten Bild, ausformuliert wurden. Insofern kommt die Ausstellung einem Blick ins (fotografische) Skizzenbuch eines der einflussreichsten Fotografen des 20. Jahrhunderts gleich. Viele der ikonischen Aufnahmen, die bereits zuvor in Ausstellungen präsentiert oder zahlreich in Magazinen und Büchern publiziert wurden, werden durch die Ausstellung Helmut Newton: Polaroids in ihrer Entstehung präsent.

Helmut Newton, Nova, Paris, 1973
Helmut Newton, Cigar Industry, Milan, 1997