Bereits früher wurde in der Helmut Newton Stiftung das Werk einiger berühmter Kollegen demjenigen von Newton an die Seite gestellt; nun sind mit Frank Horvat und Szymon Brodziak zwei Fotografen eingeladen worden, die sich insbesondere in den Bereichen Mode und Porträt einen Namen gemacht haben.

Frank Horvat gehört zweifellos zu den bedeutenden Fotografen des 20. Jahrhunderts. Der Mensch stand stets im Mittelpunkt seines Interesses. Dem Modebild vermochte Horvat etwas hinzuzufügen, was die traditionelle Modeinszenierung ergänzte, etwa überraschende Kombinationen von Modellen und Passanten im öffentlichen Raum. Den damaligen Zeitgeist hat er mit solchen Fotografien entscheidend mitgeprägt.

In seiner ersten institutionellen Ausstellung in Deutschland zeigt Szymon Brodziak großformatige Schwarz-Weiß-Aufnahmen; er erschafft reale und doch ungewöhnliche Bühnen für seine Inszenierungen mit überwiegend weiblichem Personal.

Ergänzt werden die beiden monographischen Präsentationen durch den zweiten Teil der Dauerleihgabe von Helmut Newton, die seit der Stiftungsgründung durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Museum für Fotografie verwahrt wird. Auch diesmal sind es ikonische Aufnahmen Newtons, Mode- und Aktbilder, Porträts und Selbstporträts, von denen viele bisher hier noch nicht ausgestellt waren.

Permanent Loan Selection II

Matthias Harder

Bereits früher wurde in der Helmut Newton Stiftung das Werk einiger berühmter Kollegen demjenigen von Newton an die Seite gestellt, jeweils in einer Dreierkonstellation. Eine solche Erweiterung war der explizite Wunsch des deutsch-australischen Fotografen, den er anlässlich der Gründung seiner Stiftung formulierte. Während damals mit David LaChapelle und James Nachtwey (2006) respektive Ralph Gibson und Larry Clark (2007) unterschiedliche Positionen betrachtet wurden, die sich zwischen gesellschaftlich relevanter Dokumentation und künstlerischer Inszenierung bewegten, sind nun mit Frank Horvat und Szymon Brodziak zwei Kollegen eingeladen worden, die sich insbesondere in den Bereichen Mode und Porträt einen Namen gemacht haben; aber auch Aktbilder oder Genre überschreitende Bilder finden sich in ihrem Werk, thematisch Newton nahe, stilistisch jedoch jeweils sehr eigenständig. All dies wird anhand von insgesamt 300 ausgestellten Fotografien unterschiedlicher Formate und Entstehungszeiten in der Ausstellung Newton. Horvat. Brodziak zu sehen sein.

Frank Horvat gehört zweifellos zu den bedeutenden Fotografen des 20. Jahrhunderts. Mit 16 Jahren, so sagt er von sich selbst, wollte er Schriftsteller werden. Doch der Fotojournalismus eines Henri Cartier-Bresson im Paris der 1950er-Jahre, gepaart mit dem sogenannten „human interest“, faszinierte den jungen Horvat so sehr, dass er seine Schriftstellerkarriere beendete, bevor sie überhaupt begonnen hatte. So nahm er eine Kamera zur Hand und machte erste Reportagen, die anschließend in dem italienischen Magazin Epoca veröffentlicht wurden. Später beobachtete er seine Mitmenschen in den unterschiedlichsten Situationen mit großer Empathie, meist aus gebührender Distanz. Eine Bilderbuch-Karriere begann, inklusive der Teilnahme an der legendären Ausstellung The Family of Man und zahlreicher Veröffentlichungen seiner Aufnahmen in Magazinen wie Paris Match, Picture Post oder Life. 1959 begann eine kurze, dreijährige Mitgliedschaft bei der Fotografenkooperative Magnum. Die 1950er- und 1960er-Jahre waren bekanntlich die große Zeit der Bildreportage, und auch Horvat war einer der Fotografen, die aus aller Welt berichteten. Er schickte Aufnahmen aus Indien, Brasilien, Hongkong oder Ägypten zur Veröffentlichung in die heimischen Redaktionen.

Der Mensch stand stets im Mittelpunkt seines Interesses: in der Reportage, beim Porträt oder bei den Re-Inszenierungen alter Meister inklusive Akt. Ab Ende der 1950er-Jahre entstanden im Horvat’schen Werk auch mehr und mehr Modefotografien, die er in Elle, Vogue und später in Harper’s Bazaar veröffentlichte. Horvat vermochte – wie seine Kollegen Richard Avedon, William Klein oder Helmut Newton – dem Modebild stets etwas hinzuzufügen, was die traditionelle Modeinszenierung ergänzte, etwa überraschende Kontraste oder Kombinationen der weiblichen Modelle mit Passanten im öffentlichen Raum. Den damaligen Zeitgeist hat er mit solchen Fotografien begleitet, ja entscheidend mitgeprägt. In den letzten Jahren ist es etwas stiller um Frank Horvat geworden, denn er hat die Motive der Mode- und Werbebildwelt mit Aufnahmen seines privaten Umfelds im südfranzösischen Cotignac ersetzt. Sein letztes Buch und Ausstellungsprojekt House with Fifteen Keys, in das auch solche Aufnahmen eingingen und aus welchem nun erstmalig 200 Werke in Berlin gezeigt werden, nennt er sein Vermächtnis, sein Testament.

Der polnische Fotograf Szymon Brodziak ist ein vergleichbar intensiver Geschichtenerzähler mit der Kamera, jedoch gehört er gewissermaßen der Enkelgeneration von Horvat und Newton an. In seiner ersten institutionellen Ausstellung in Deutschland präsentiert er im Hauptraum des Museums 30 großformatige Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus seiner jüngst erschienenen Monographie One. Brodziak erschafft reale und doch ungewöhnliche Bühnen für seine Inszenierungen mit überwiegend weiblichem Personal. Die Modelle spielen dabei ebenso ungewöhnliche Rollen: Leonora Jiménez, preisgekrönte Schönheitskönigin aus Costa Rica, schlägt sich, wie einst der Terminator, Schneisen durch einen Autofriedhof, steht triumphierend im Abendkleid und mit wehender Fahne auf einem Haufen zusammengepresster Autowracks oder hängt mit blondem herabfallendem Haar und High Heels an einem riesigen Kranhaken, mit dem sonst nur Altmetall über den Schrottplatz gehoben wird.

Die Nacktheit der jungen Frauen in seinen Aktbildern hingegen schwankt zwischen Natürlichkeit und aufreizender Stilisierung, etwa wenn der Playboy Auftraggeber ist. In The Hunting sind wir mit zwei nackten Frauen konfrontiert, von der eine mit kleinem Hirschgeweih im Haar durch einen Wald pirscht, während die zweite junge Frau mit Jagdgewehr und Messer ausgestattet die Jägerin spielt. Das Rotwild – in Person der einen Protagonistin – wird erlegt, so die Narration der Bildserie, und die Trophäe landet schließlich in einem hölzernen Rundbau an der Wand. Die Jagd steht stellvertretend für Macht und Unterwerfung. Übertreibung wird auch bei Brodziak zum Stilmittel. Stets ist es eine Mischung aus subtiler Erotik und weiblicher Eleganz, egal ob in den Auftragsarbeiten und Bildgeschichten Möbel, Autos oder Kaffee beworben werden. Es handelt sich um eine Spielart der Mood Photography, mit der eine bestimmte Atmosphäre beim Betrachter erzeugt werden soll, wobei der eigentliche Bildgegenstand mitunter radikal marginalisiert werden kann. Brodziak beherrscht nicht nur die Technik und das Setting perfekt, sondern besitzt auch für das stille, ja intime Charakterbild das entsprechende Einfühlungsvermögen. Er bedient die gängigen Klischees und Schönheitsideale der Mode- und Aktfotografie – und hinterfragt sie zugleich.

Szymon Brodziak, The Lamp, Poland, 2008 © Szymon Brodziak
Helmut Newton, David Bowie, Bedroom Kempinski Hotel Berlin, 1983

Ergänzt werden die beiden monographischen Präsentationen durch den zweiten Teil der Dauerleihgabe von Helmut Newton, die seit der Stiftungsgründung durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz im „Museum für Fotografie“ verwahrt wird. Es ist die Fortführung der ersten Präsentation der Dauerleihgabe, die von Dezember 2014 bis Mai 2015 die gesamten Wechselausstellungsräume der Stiftung füllte. Auch diesmal sind es ikonische Aufnahmen Newtons, insgesamt mehr als 70 historische Originalabzüge, meist Vintage Prints, von denen viele bisher hier noch nicht ausgestellt waren, beispielsweise Bildnisse von Jeanne Moreau, Charlotte Rampling oder Karl Lagerfeld.

Eine Farbbildserie aus den 1980er-Jahren offenbart den konzeptionellen Ansatz Newtons: Er fotografierte David Hockney, David Bowie, Niki de Saint Phalle und andere in ihren Schlafzimmern auf dem Bettrand sitzend und in einer zweiten Aufnahme, jeweils als Bildpaar nebeneinander präsentiert, dieselben Personen beim Öffnen des Nachttischschrankes. Newton richtet den Blick also auf zwei sehr intime Bereiche: auf das Schlafzimmer (als Totale) samt dessen Innerstem – auf Tabletten, Papiertaschentücher oder Tagebücher, die in der geöffneten Schublade zum Vorschein kommen. So sind Prominente noch nie porträtiert oder charakterisiert worden.

Intime Posen begegnen uns auch in anderen Porträts, mit der für Newton so unnachahmlichen Kombination aus Voyeurismus und Exhibitionismus. In seinen Akt- und Modefotografien entdecken wir wiederum raffinierte, erotisch aufgeladene Inszenierungen. In June’s Room trifft der Besucher schließlich auf eine Auswahl kleinformatiger Selbstporträts sowie Porträts seiner Frau June aus den letzten Jahrzehnten. Auch diese ausgewählten Aufnahmen, die nur teilweise Bestandteil der Bildserie Us and Them sind, geben uns – als visualisierte Lebens- und Liebesgeschichte – einen offenen, ja intimen Einblick in den Alltag und das Miteinander dieses unvergleichlichen Fotografenpaares.